Die doppelte Sehnsucht nach Meghan Markle
ESCape mit Bennet und Tabita - Vol. 7
Mittlerweile haben fast alle Länder in nationalen Vorentscheid-Shows ihren Beitrag für den Eurovision Song Contest festgelegt. Jede Woche, immer Dienstags 18 Uhr, nehmen wir euch mit auf eine Reise: den ESCape aus dem tristen Alltag mitten hinein in die bunte Welt des ESCs. Und auch dieses Mal schauen wir uns wieder fünf Länder näher an. Unsere Reise führt uns dieses Mal in die Balkan-Länder Serbien und Kroatien. Auch dem skandinavischen Island und dem südländischen Portugal haben wir einen Besuch abgestattet. Nicht fehlen darf außerdem la belle Fance: Frankreich.
Und hier kommt sie: Vol. 7 der ESCape-Reihe
Serbien
Gewinnerin Konstrakta mit "In corpore sano"
Eigentlich heißt die 43-Jährige Sängerin Ana Đurić. Und wenn Ana alias Konstrakta nicht gerade in der serbischen Reggae- und R'n'B-Gruppe Zemlja singt, arbeitet die zweifache Mutter als Archtitektin. Eine ganz schöne Wonder Woman. Umso erstaunlicher, dass ihr ESC-Beitrag äußerliche und körperliche Perfektion kritisiert. "In corpore sano" bedeutet "In einem gesunden Körper". Der Titel spielt auf das lateinische Sprichwort "ein gesunder Geist in einem gesunden Körper" ("Mens sana in corpore sano") an. Das wird übrigens zu Beginn des Songs rückwärts aufgesagt. Und auch musikalisch wirkt der Song mal düster-cool mit treibendem Beat und nahezu Sprechgesang, und mal mystisch mit Chorgesängen. Konstrakta singt zum Teil auf Serbisch, zum Teil in Latein. Es geht um falsche Schönheitsideale, denen viele versuchen, nachzujagen. Wie etwa "Meghan Markle" und ihren "perfekten Haaren". Am Ende stellt Konstrakta die Frage: Und dann hast du den gesunden Körper, aber darin ist eine traurige Seele - was dann? Mit ihrem Song gewinnt Konstrakta nicht nur das Jury-, sondern auch das SMS-Voting im Vorentscheid. Eine Rolle hat dabei sicherlich auch die Performance gespielt. Bereits das Musikvideo ist eine Nummer für sich (am Anfang und am Ende hört und sieht man Konstrakta geräuschvoll von Hähnchenschlägel abbeißen). Von daher ist es kaum eine Überraschung, dass der Auftritt im serbischen Vorentscheid nicht minder skurill ist. Aber seht selbst:
Tabitas Favoritin Tijana Dapčević mit "Ljubi, ljubi doveka"
Im Finale des serbischen Vorentscheids "Pesma za Evroviziju" traten 18 Acts gegeneinander an. Allesamt waren es wirklich starke Stimmen. kreative Stagings und Kostüme. Nur die Songs an sich hätten weniger melodramatisch sein dürfen. Tabitas Favoritin ist und bleibt Konstrakta mit "In corpore sano". Müsste sie sich aber für eine weitere serbische Nummer entscheiden, so wäre das Tijana Dapčević. MIt ihren kurzen blonden Haaren, dem roten Anzug und der feurigen Performance (sie steht ganz allein auf der Bühne!) erinnert sie stark an die 50-Jährige Powerfrau und GNTM-Kandidatin Martina.
Portugal
Siegerin MARO mit "Saudade, Saudade"
Auch dieses Jahr erwartet uns ein ruhiger Song aus Portugal: "Saudade, Saudade", also "Sehnsucht, Sehnsucht" heißt der Beitrag für den ESC. Und genauso sehnsuchtsvoll klingt es auch, wenn Mariana Secca alias MARO auf Portugiesisch und Englisch singt. Ähnlich wie Konstrakta aus Serbien, lag auch die 27-Jährige sowohl beim Publikum als auch bei der Jury vorn. Erreicht ihre Sehnsucht auch die Herzen Europas?
Bennts Mitfavorit SYRO mit “Ainda nos Temos”
Ähnlich ruhig ging es auch beim Song von SYRO zu. Mit seiner starken und dann wieder zart-verletzlichen Stimme ist seine Ballade sehr bewegend und emotional mitreißend. Nicht zuletzt auch wegen der Gospelanmutung. Aber auch sonst hatte Portugals Vorentscheid Festival da Canção wirklich schöne und abwechlungsreiche Beiträge zu bieten. So auch die unterhaltsame Musical-Nummer Inês Homem de Melo – “Fome de Viagem”, in der so gut wie jede Sprache (auch das deutsche Wort "Autobahn") mal vorkommt.
Island
Siegertrio Systur mit "Með Hækkandi Sól"
"Mit der aufgehenden Sonne" - so heißt Islands ESC-Beitrag in Landessprache. Dafür sorgen die drei Schwestern Sigríður, Elísabet und Elín Eyþórsdóttir. Mit ihrer Country-Ballade vermittelt das Trio Systur eine Sehnsucht ähnlich der von MARO aus Portugal. Ihr Song "Með Hækkandi Sól" zeigt wie schön und träumerisch isländisch klingt. Auch optisch geht es mit den drei Schwesten zurück in die 70er: Mit weiten Hosen, Boho-Blusen und offenen lockigen Haaren stehen sie da - allesamt übrigens auch Gitarre spielend. Geht die Sonne auch auf der ESC-Bühne auf?
Tabitas Mitfavoriten Amarosis mit "Don't You Know (íslenska útgáfan)"
Auch der isländische Vorentscheid Sängvakeppnin war wirklich stark. Da gab es zum Beispiel die sechs Rapperinnen Namens Tökum af stað, die einen energiereichen Auftritt hingelegt haben. Oder den witzigen Beitrag von Gía. Die zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer durften sich übrigens vorher entscheiden, ob sie auf Isländisch oder auf Englisch singen wollen. Während die Gewinner Systur ganz klar auf die Landessprache gesetzt haben, entschied sich das Duo Amarosis erst für Englisch, nachdem sie aus dem Halbfinale rausgeflogen sind. Ja richtig, denn Amarosis hat es dann nur über eine Wildcard ins Finale geschafft. Dabei hätte Tabita den beiden den Sieg wirklich gegönnt. Die 70er-Nummer mag für viele zwar zu kitschig sein, aber die Hintergründe sind trotzdem sehr beeindruckend: "Don't You Know" singt Már Gunnarsson gemeinsam mit seiner Schwester. Das Besondere: Gunnarsson ist ein blinder Leistungsschwimmer, der Island bei den Paralypmischen Spielen in Tokio vertreten hat.
Frankreich
Siegergruppe Alvan & Ahez mit "Fulenn"
Auf Frankreich kommen dieses Jahr für la belle France ganz ungewöhnliche Klänge: Das Frauentrio Ahez und der Elektro-Musiker Alvan bringen mit "Fulenn" einen Mix aus Folk und Elektro-Trance auf die Bühne. Auf Deutsch heißt der Titel "Funke", und der springt auf der Bühne im Vorentscheid auch wahrhaftig über. Das sehen Publikum und Jury genau gleich. Das Besondere ist übrigens nicht nur die Musik mit athmosphärischen Klangteppichen und Folklore-Klängen, sondern auch die Sprache. Französisch und Englisch hört man hier nämlich nicht. Aber was denn dann? - Bretonisch. Das ist eine keltische Sprache, die in der Bretagne (westfranzösische Region) auch heute noch gesprochen wird. Und damit ist "Fulenn" seit 1966 nun der zweite ESC-Breitag auf Bretonisch.
Bennets Mitfavoriten SOA mit "Seule"
"Eurovision France, c’est vous qui décidez" ("ESC Frankreich, Sie entscheiden") - So bescheiden hieß der französische Vorentscheid. 12 Acts gingen dabei ins Rennen und mussten neben einem Auftritt auch noch eine überzeugende Wahlkampfansprache hinlegen. Klar, denn in Frankreich sind am 24. April Präsidentschaftswahlen. Das ist ein guter Aufhänger, um zu prüfen, wie geeignet die Musiker für zukünftige Pressekonferenzen rund um den ESC sind. Bennet hat da vor allem das Duo SOA überzeugt. Zumindest musikalisch. Denn hier wird nicht nur eine epische Performance abgeliefert, sondern unter anderam auch in rasender Geschwindigkeit fehlerfrei gerappt.
Kroatien
Gewinnerin Mia Dimšić mit "Guilty Pleasure"
Kroatien bringt dieses Jahr ein "Schuldiges Vergnügen" auf die Bühne. Dabei ist der Song geradezu das Gegenteil seines Titels. In "Guilty Pleasure" singt Mia Dimšić zwar von einer neuen heimlichen Liebe während sie bei ihrem eigentlichen Freund ist. Dennoch ist der Name "Guilty Pleasure" aber nicht Programm. Der Song der 29-Jährigen klingt viel eher nach einem süßen Liebeslied. Und erinnert an ihr eigenes Vorbild: die große Pop-Ikone Taylor Swift. Die ist besonders für ihre Gabe bekannt, (Liebes-) Geschichten in Songs zu erzählen. Kein Wunder also, dass Mia es ihr nachmacht und sich auf der Bühne ganz als Mädchen von Nebenan und Singer-Songwriterin mit Akustikgitarre gibt. Das wirklich Besondere an ihrem Auftritt ist die Performance des Tänzers Alexandru Oltean. Der wurde 2017 durch das rumänische "Supertalent" bekannt. Und auch hier beeindruckt er durch seine artistische Darbietung. Aber nicht nur das: auch durch die Interaktion mit Mia Dimšić kann er überzeugen. Tabita könnte am Ende der Performance jedes Mal aufs Neue ausflippen, denn Mia und Alexandru haben eine so gute Chemie, es knistert wir verrückt und am Ende küssen sie sich...fast...
Zdenka Kovačiček mit "Stay on the Bright Side"
Die 14 Beiträge im kroatischen Vorentscheid "Dora 2022" mussten sich dieses Jahr mit einer Sporthalle vergnügen. Gemerkt hat das aber keiner, denn die Bühne war dafür extra groß: 320 Quadratmeter. Na, wenn das nicht eine Bühne ist! Umso weniger beeindruckend waren dafür die restlichen Auftritte. Hervorstechen konnte aber Zdenka Kovačiček. Mit 78-Jahren war sie mit Abstand die älteste Kandidatin im Vorentscheid. Die Rock- und Jazzsängerin hat mit "Stay on the Bright Side" einen charmanten Feel-Good-Song in der Schunkelversion hingelegt. Wenngleich man bei den platten Lyrics wirklich schmunzeln muss.