El Lukijanov im Interview
"Die Menschen sollen meinen Stücken nachspüren"

© Lenny Lorenz
El Lukijanov, 1983 geboren, ist Komponist*in und studiert zusätzlich Musikinformatik an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Lukijanov bezeichnet sich als genderfluid. Das bedeutet, dass sein*ihr Geschlecht sich von Zeit zu Zeit verändert. Im Interview erzählt Lukijanov, wie es zu dieser Erkenntnis kam und wie seine*ihre Genderfluidität mehr und mehr in die Kompositionen einfließt.
Du bezeichnest dich als genderfluid. Wie hast du das herausgefunden?
Ein Schlüsselerlebnis war in der Drogerie. Da hat mich eine ältere Dame nicht richtig angeschaut und gefragt: „Junger Mann, können Sie mir bitte einmal die Flasche da runter geben?“. Diese vermeintliche Verwechslung hat mir so gutgetan. Aber mir war noch nicht klar, was es ist. Mir haben die Worte gefehlt, aber irgendwann habe ich herausgefunden, dass ich genderfluid bin.
Um mich so bezeichnen, hat es eine Weile gedauert. Vor meinem Studium hier in Karlsruhe habe ich meine Genderfluidität offen ausgelebt. Als ich mit Anfang 30 nach Karlsruhe gekommen bin, um ein neues Studium zu beginnen, habe ich es nicht weitergemacht aus Angst vor Konsequenzen. Für mich war das Allerwichtigste, mit meinen Kompositionen aufzufallen. Ich habe es also erstmal zurückgehalten. Dieses Verdrängen hat mir auf Dauer geschadet. Das einzig Richtige war also, mich zu outen.
Für mich war das Allerwichtigste, mit meinen Kompositionen aufzufallen.
Haben sich deine Befürchtungen bewahrheitet?
Manche Menschen haben schon pikiert reagiert und meinten, ich müsse mich gar nicht so festlegen. Aber das muss ich. Wir leben in einer binären Welt, in der ich unfreiwillig in eine Schublade gesteckt werde. Also muss ich mich festlegen, damit das nicht passiert. Manche Leute können das nicht nachvollziehen. Das verletzt mich. Ich habe es ihnen gerade mitgeteilt und trotzdem bezeichnen sie mich als Dame. Ich kann verstehen, dass ihnen das Thema neu ist und sie Zeit brauchen. Aber wenn sie es gar nicht erst versuchen, habe ich auch kein Verständnis.
© Lenny Lorenz
Komponist:in El Lukijanov
Fließt das auch in deine Arbeit als Komponist*in ein oder versuchst du das zu trennen?
Es fließt immer mehr in meine Arbeit ein. Ich habe immer gedacht, ich müsse das trennen. Dieses Thema sei doch nervig und es müsse doch nicht alles politisiert werden. Ich merke aber, dass es für mich ein großes Thema ist. Zum Beispiel arbeite ich gerade an meinem Abschlusskonzert. Es geht um Schreien und es kommen vor allem weibliche Charaktere vor. Ich stelle mir bewusst die Frage: Wenn schreiende Menschen auf der Bühne sind, wie kann ich das queer feministisch herausarbeiten, sodass es nicht eindeutig eine Frau ist, die da schreit? Vielleicht ist es eine Person mit unterdrücktem Geschlecht. Wie kann ich es uneindeutig machen? Dieses Uneindeutige ist etwas Grundsätzliches von Kunst. Bei meiner Musik gibt es nicht unbedingt etwas richtig oder falsch zu verstehen. Eine Frage möchte ich den Zuhörenden aber stellen: Bist du dir sicher, wie du das gerade wahrnimmst?“ Sie sollen gar nicht unbedingt darüber nachdenken – denken ist so inhaltsgefüllt – vielmehr sollen die Menschen meinen Stücken nachspüren.
Dieses Uneindeutige ist etwas Grundsätzliches von Kunst.
El baut übrigens auch eigene Instrumente. So klingt die selbstgeabute Nagelgeige:
Wer mehr über El herausfinden möchte, erhält hier mehr Infos: Elina Lukijanova - Elina Lukijanova