Frischer Wind für "Modern Jazz"
"Deutscher Jazz-Preis"-Gewinner Jakob Bänsch in Deutschland auf Tour

© Justus Wirth
Das "Jakob Bänsch Quintet" spielte am 30. 5. im "Tempel" in Karlsruhe Mühlburg
Jakob Bänsch nickt ruckartig nach rechts. Gerade hat er mit seiner Trompete in einer Hand eine Phrase in den Raum geworfen. Der Klangfetzen breitet sich zwischen den Steinziegelmauern des Tempels aus. Es scheint, als würden die Wände den Ton der Trompete abfedern, weicher machen, ihn reflektieren. Dabei ist das der Hall-Effekt auf dem Instrument, durch Jacobs ansatzloses Spiel kaum einzuordnen, der Fetzen Klang wabert im Raum umher. Später dann die Befreiung: Ein gnadenloser, aber wandelbarer Schlagzeug-Beat, energische Bass-Impulse, darauf großartige Soli. Es ist eine intime, Jazz-Club-artige Atmosphäre. Kleine Location, die Bar hinten drin, Teile der Band kommen aus der Region, für den aus Pforzheim stammenden Jakob quasi ein Heimspiel.
Die junge Band tourt schon seit einiger Zeit durch Deutschland. Sie präsentieren das neue Album „All the others“, spielen aber auch andere Stücke aus ihrem Repertoire. Für „All the others“ wurde Jakob Bänsch mit dem deutschen Jazz-Preis 2024 ausgezeichnet. Mit 21! Er gilt schon jetzt als eines der größten jungen Talente der deutschen Jazz-Szene.
Dieser Audio-Beitrag enthält Gema-Material und musste aus diesem Grund 7 Tage nach Veröffentlichung depubliziert werden.
Jakobs Musik einzufangen ist unmöglich. Aus einem Motiv entsteht das nächste, sofort wird das alte davon verschlungen. Natürlich gibt es rote Fäden. Begleitungs-Pattern, Tonarten, einprägsame Melodien. Diese als Hörer genau zu verfolgen wird schwierig, weil nebenher noch so einiges passiert, in jeder Stimme. Abgefahrene Soli, mit denen die Musiker sich viel zumuten, aber abgezockt durchziehen. Ihre Stücke spielt die Band bei jedem Gig unterschiedlich.
Die Grenzen des gemeinsamen „Jazzens“ liegen oft bei den technischen Fähigkeiten und dem Denktempo der Musiker*innen. Beides stellt für das Jakob Bänsch Quintet mit Leo Asal am Schlagzeug, Jakob Obleser am Bass, Niklas Roever am Klavier und Ella Zirina an der Gitarre, keine Schwierigkeit dar, dem Quintett stehen also die Tore des gemeinsamen Experimentier-Labors weit offen.
Die Freude am Ausprobieren zeigt sich zum Beispiel im ersten Stück, in dem Jacob auf sein Mundstück trommelt. Oder in dem, dessen Ende sich anhört, als befände man sich in einem Krankenhausbett. Oder auch an so manchen gewöhnungsbedürftigen Keyboard-Sounds. Sie prägen sich ein, schrillen ein wenig in den Ohren.
Das Keyboard wird ebenso wie das Klavier von Niklas Roever bedient, der übrigens nebenher noch Mathematik studiert und das nach abgeschlossenem Jazz-Studium im Bachelor. Es ist wohl als Jazz-Musiker nötig, einen Plan B zu haben, selbst wenn man mit so viel Talent und guter Ausbildung gesegnet ist. Jacob scherzt auf der Bühne mit seinem Pianisten darüber, die Vorstellung der Band-Mitglieder und der Stücke sind generell unterhaltsam. Auch wenn man leider nur von insgesamt drei Stücken auf der Setlist den Namen und dessen Enstehung erfährt. Im neuen Album „All the others“ sind die meisten Stücken von fiktiven Geschichten und deren Hauptcharakteren inspiriert. Von Goethes „Faust“ bis „Sex Education“.
Die lockere Art des Bandleaders wirkt manchmal fast desinteressiert. Aber was Jakob Bänsch meint und sagen will, bringt er prägnant zum Ausdruck. Und das passt gut dazu, wie er Musik macht. Seine gesanglichen Melodien spielt er so lässig wie klar.
In vielen Stücken wird von der Band eine Art Klangteppich gelegt, der immer engmaschiger wird, aber am Ende des Stücks allmählich ausfranzt. Darauf legt sich dann der Solist oder die Solistin, die verschiedenen Bandmitglieder auf ihre jeweils eigene Art und Weise. Jakob Bänsch gewohnt cool und beiläufig, die Gitarristin Ella Zirina elegant und träumerisch. Niklas Roever spielt überlegt und erzeugt gezielt komplexe Harmonien, Leo Asal energetisiert das Publikum und die Band mit seinen flexiblen und dichten rhytmischen Strukturen, die er--im positiven Sinne—aus seinem Schlagzeug herausprügelt. Der Bassist Jakob Obleser agiert konzentriert, seine gezupften Soli klingen flächig, wie mit einem Klavierpedal verlängert. Wenn man also bei der Analogie des Experimentier-Labors bleiben will, gibt jeder seine eigene musikalische Persönlichkeit in die gemeinsame Mixtur.
In das Reagenzglas kommt dann auch ein Schuss persönliche Prägung. Jakob Bänsch ist mit klassischer Musik aufgewachsen, spielte in diversen klassischen Ensembles, bis er endgültig den Weg in Richtung Jazz verfolgte. Besonders eine Epoche hat ihn nie losgelassen.
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Im Tempel präsentiert nicht nur der „Chef“ seine Werke. Die lettische Gitarristin Ella Zirina breitet erst entspannte Arpeggien aus, die dann immer spannungsgeladener werden. Eigentlich ist das Stück „Iroh“ in diesem Konzert vornehmlich ein Duett mit dem Pianisten. Die beiden reagieren feinfühlig aufeinander, während die anderen Ensemblemitglieder wie in Trance mitschwingen. Das Stück geht in ein Werk des Bassisten über, indem er wild auf dem Griffbrett hoch- und runterrutscht. Manchmal wirkt er dabei ein wenig orientierungslos, aber der gesamte Schwung des Stücks zieht die Konzertbesucher trotzdem mit, viele wippen im Rhythmus und manche bewegen ihren Kopf so wild, dass man es vielleicht schon als abgeschwächte Form des Headbangens bezeichnen könnte. Andere schließen während des gesamten Konzerts die Augen und lassen sich vom Jacob Bänsch Quintet in eine andere Welt entführen. Diese freie, schwebende Musik, voller interessanter Klänge lädt auf jeden Fall dazu ein. Sie hat etwas Hypnotisches.
Nicht nur deswegen ist die „All the others“-Tour eine Live-Erfahrung wert, auch, weil sie zeigt, wie facettenreich und lebendig moderner Jazz sein kann. Und weil man außergewöhnlich talentierte junge Musiker*innen erlebt, deren Spiel eine beeindruckende Virtuosität zeigt.