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Junger Kulturkanal

LÄUFT

Krieg, Skandal und ein Song in Gebärdensprache

ESCape mit Bennet und Tabita - Vol. 5

Von Tabita Prochnau und Bennet Leitritz am veröffentlicht.

Immer mehr Länder legen in nationalen Vorentscheid-Shows ihren Beitrag für den Eurovision Song Contest fest. Wir haben uns mal wieder fünf davon näher angesehen. Und zwar die Ukraine, Malta, Polen, Norwegen und San Marino. Natürlich nicht, ohne einen Blick auch auf die einzelnen Shows zu werfen. Und auf die Songs, die im Vorentscheid nicht den ersten Platz erreicht haben. So verraten wir euch also auch unsere jeweiligen Favoriten. Und wer noch nicht genug bekommt - keine Sorge! Denn immer Dienstags, 18 Uhr, gibts eine neue Sendung zum ESC. In jeder Folge nehmen euch Bennet und Tabita mit auf eine Reise: Ein ESCape vom tristen Alltag rein in die bunte Welt des ESCs.

Ukraine

Sieger Kalush Orchestra mit "Stefania"

Die vierköpfige Band kombiniert Folklore, ukrainische Volsmusik, mit Rap. Und dieser Ethno-Mix kommt gut an - zumindest beim Publikum. Im ukrainischen Vorentscheid "Vidbir" sind Kalush Orchestra der Publikumsliebling. Trotzdem landen sie nur auf dem zweiten Platz. Doch nachdem Siegerin Alina Pash zurückgetreten ist, nominiert das Vorentscheidkomitee die Gruppe als Vertreter beim ESC. Angesichts des Krieges in der Ukraine wird Kalush Orchestra damit eine besondere Stellung zuteil. Leadsänger Oleh Puik sagt: "In schwierigen Zeiten für unser Land werden wir unsere Präsenz in der ganzen Welt bekannt machen. Wir sind also bereit, die Ukraine in ganz Europa zu vertreten." Den Song "Stefania" widmete er seiner gleichnamigen Mutter. "Mama Stefania (...) sing mir ein Wiegenlied (...) ich will noch mehr von deinen Worten hören". Der Song wirkt angesichts der aktuellen Lage wie eine Hymne an die verlorene Heimat.

Eigentliche Siegerin Alina Pash mit "Shadows Of Forgotten Ancestors"

Der Vorentscheid "Vidbir" kürt eigentlich Alina Pash zur Siegerin - genau 12 Tage bevor Russland mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine beginnt. Russland ist daher übrigens vom ESC ausgeschlossen worden. Der Krieg in der Ukraine ist allerdings nicht der einzige Konflikt. Auch der ukrainische Vorentscheid zieht ein Skandal mit sich. Gewinnerin Alina Pash tritt zurück, als die Diskussion um eine Reise zur Krim ausbricht. Pash hatte 2015 die Halbinsel Krim besucht, ein Jahr zuvor war das Gebiet von Russland annektiert worden. Ein Gesetz in der Ukraine verbietet es, Ukrainern zur Krim zu reisen. Es sei denn, die ukrainischen Behörden stellen unter bestimmten Voraussetzungen eine Sondergenehmigung aus. Alina Pash wird nun vorgeworfen, dass sie mit gefälschten Papieren gereißt ist. Dabei geht das Thema ihres Songs unter: die Geschichte der Ukraine zwischen Leid und Zusammenhalt der Bevölkerung. Ein Lied, dass thematisch ganz nach Jamals Gewinnersong "1944" klingt, den sie übrigens auch im deutschen Vorentscheid performte - nachdem sie kurz zuvor aus der Ukraine geflüchtet war.

Malta

Siegerin Emma Muscat mit "I Am What I Am"

Dabei hat die 22-Jährige den Vorentscheid mit einem anderen Song gewonnen: "Out of Sight". Keiner weiß, warum das Komittee sich dann für den Song "I Am What I Am" entschieden hat. Emmas Ballade ist ganz schön, aber mehr auch nicht. Ihre Stimme ist außerordentlich stark und mit ihrem Song erinnert sie stark an ihre ebenfalls junge Vorgängerin Destiny. Malta scheint damit ein Konzept zu verfolgen: junge Sängerin mit starker Stimme und einem Song, der mit Gospelklängen deutlich an Destinys "All Of My Love" von 2020 erinnert.

Bennets Favoritin Miriana Conte mit "Look What You've Done Now"

Angesichts der mangelnden Qualität der 17 Beiträge im Finale ist es nicht einfach, einen Favoriten-Song auszuwählen. Dabei hat sich Malta für den ESC-Vorentscheid etwas Großes einfallen lassen: und so nannte das Land ihre Show kurzum ganz bescheiden "Maltas Eurovision Song Contest". Groß und professionell war die Show auf jeden Fall. Die Qualität der 17 Beiträge sicherte der äußere Rahmen aber nicht. Allerdings kann Miriana Conte mit ihrer künstlerischen und gesanglichen Live-Performance wirklich sehr überzeugen. Schade, dass Emma Muscat weiter vorne lag.

Polen

Sieger Ochman mit "River"

Der 22-Jährige hat einen starken musikalischen Hintergrund: sein Vater spielte Synthesizer in einer Band, sein Großvater war Opernsänger. Krystian Ochman selbst gewann 2020 "The Voice of Poland". Und das zurecht, denn auch im Vorentscheid überzeugt er mit seiner besonderen und wahnsinnig guten Stimme. Damit überholt er auch Sängerin Daria, deren Song "Paranoia" auf YouTube schon über 15 Millionen Aufrufe hat. Zum Teil lässt Ochmans melancholische Ballade "River" auch Operngesang anmuten. Der Song ist mal etwas anderes und funktioniert. Wenn sich Ochman dann auch noch in seiner "Performance" vom festen Mikro wegbewegen würde...

Mitfavorit Unmute mit "Głośniej niż decybele"

So unaussprechlich wie der Name unserer Mitfavoriten ist, so kompliziert ist auch der Titel des polnischen Vorentscheids selbst: "Tu bije serce Europy! Wybieramy hit na Eurowizję" heißt die Sendung mit dem wohl bescheidensten Titel. Auf Deutsch: "Hier schlägt das Herz Europas! Wir wählen den Hit für die Eurovision." Der Song unserer Mitfavoriten war dafür umso kürzer. Mit einer Länge von nur 1.48 min wäre "Głośniej niż decybele" der kürzeste ESC-Song aller Zeiten gewesen. "Lauter als Dezibel" heißt der Song auf Deutsch. Ironischer Weise besteht die fünfköpfige Gruppe Unmute aber aus gehörlosen Künstlerinnen und Künstler. Ja, richtig: GEHÖRLOSEN Künstlern. Ihr Songs wird daher auch nur in Gebärdensprache performt. Hätte das beim ESC für Probleme gesorgt? Reine Instrumentalstücke sind beim ESC nämlich verboten. Allerdings hat "Głośniej niż decybele" die in den ESC-Regelungen geforderten Lyrics...

Norwegen

Gewinner Subwoolfer mit "Give That Wolf A Banana"

Einfach mal dem Wolf eine Banane geben, damit er die Großmutter nicht frisst, das heißt es in den Lyrics. Also hätte Rotkäppchen das gewusst, wäre das Märchen sicherlich anders verlaufen. Und mit diesem genialen Geheimtipp will das anonyme Duo Subwoolfer Norwegen beim ESC vertreten. Der Song ist irgendwie lustig und geht in's Ohr, aber auf der anderen Seite ist er auch saunervig. Tabita brennen zwei Fragen besonders auf der Zunge: 1. Welche Künstler stecken hinter dem immer noch unbekannten Duo Subwoolfer? Mit ihren gelben Wolfsmasken und dunklen Sonnenbrillen schaffen die Sänger ein Anonymous, das auf Social Media für Rätselraten sorgt. Und damit auch an Cro mit seiner Pandamaske erinnert. Und an Bård und Vegard Ylvisåker, die 2013 mit "What Does The Fox Say" einen viralen Hit landeten. 2. Nach zigtausend aufwendigen Runden samt unzähliger Battles ist "Give That Wolf A Banana" mit Nonsense-Text der Beste der 21 Songs beim Melodi Grand Prix?

Bennets Favoritin Farida mit "Dangerous"

Die mysteriös dramatische Ballade könnte der Theme-Song eines neuen James-Bond-Films sein. Sängerin Farida begeistert mit dem großen Tonumfang ihrer Stimme, der von tiefen Tönen bis hin zu hauchzartem Gesang in der Kopfstimme reicht.

San Marino

Sieger Achille Lauro mit "Stripper"

Bürgerlich heißt der Rapper Lauro de Marinis. Sein Künstlername Achille Lauro kommt von einem 1985 von Terroristen entführten Kreuzfahrtschiff. Warum nicht? Das scheint das Motto des 31- Jährigen zu sein. Im italienischen Musikbusiness ist er bereits seit 2012 unterwegs. Seit 2018 ist er übrigens auch bei jedem Sanremo-Festival dabei, dem italienischen Vorentscheid für den ESC. Dort war er auch dieses Jahr mit dem kontroversen Song "Domenica". Nun hat Achille Lauro es auch in San Marino versucht - und hat  mit dem nicht weniger provokanten Song "Stripper" gewonnen. Gerappt wird hier übrigens nicht. "Stripper" klingt auch eher nach einem Oldie-Rocksong. Und Lauro singt mit einer absichtlich lustlosen Stimme, sodass er am Satzende jedes Mal "absäuft". Gesangslehrer wären entsetzt über die mangelnde Spannung in der Stimme. Bei Lauro gehört es aber zur Ästhetik. Die erinnert nebenbei bemerkt an die italienischen Gewinner Måneskin vom letzten Jahr.

Unsere Favoritin Christina Ramos mit "Heartless Game"

Ähnlich wie in Malta war auch der ESC-Vorentscheid in San Marino mehr als aufwändig.14 Auditions, fünf Halbfinal- und zwei Finalrunden mit 18 Finalisten und Live-Schaltungen zu parallel laufenden Vorentscheidsendungen in Slowenien und Polen. San Marinos "Una Voce per San Marino" hat defintiv internationalen Charakter. Trotzdem gillt auch hier: Quantität bestimmt nicht unbedingt die Qualität. Leider haben ähnlich wie in Malta die Songs allesamt nicht recht überzeugen können. Tabita fühlt sich beim skippen durch die Songs wie in einer Zeitkapsel, die irgendwo zwischen den 80ern und 2000ern stecken geblieben ist. Uns hat San Marino leider überhaupt nicht überzeugt. Immerhin ein Song hat es für Bennet und Tabita aber geschafft: "Heartless Game" von Christina Ramos. Ihr beeindruckender opernhafter und gleichzeitig rockiger Gesang könnte die Filmmusik in jedem guten Mittelalter-Kriegsfilm mimen.

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