Musik kann Wunden heilen
Interview mit dem Dirigenten Tobias Drewelius

© Jakob Roth
Tobias Drewelius ist Dirigent, unter anderem beim KIT-Sinfonieorchester in Karlsruhe. Nach dem Abschluss seines Dirigierstudiums an der Hochschule für Musik Karlsruhe ist er 2017 nach Ecuador gereist, um die Organisation „Musiker ohne Grenzen“ zu unterstützen. Jakob Roth hat mit ihm für den Jungen Kulturkanal über seine Erfahrungen, Herausforderungen und seine alltägliche Arbeit gesprochen.
Wir konnten Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und manchmal eine berufliche Perspektive geben
Tobias, ich persönlich kenne nur die „Ärzte ohne Grenzen“. Kann für dich Musik auch Medizin sein?
Auf gewisse Weise ja, auch wenn es natürlich keine physischen Wunden sind, die wir heilen. Neben den „Ärzte ohne Grenzen“ gibt es ja auch die „Ingenieure ohne Grenzen“, die in Afrika oder Lateinamerika Brunnen bauen. „Musiker ohne Grenzen“ ist eine deutsche Organisation, die sich darum kümmert, dass musikinteressierte Menschen im Rahmen von Freiwilligendiensten in verschiedene Länder reisen. Durch ihre Arbeit können sie dort jungen Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und manchmal sogar eine berufliche Perspektive geben.
Tobias Drewelius hat in der Musikschule der Küstenstadt Guayaquil gearbeitet. Seinem Schüler Anthony Falcones gibt er hier Dirigierunterricht:
© Privat
Tobias Drewelius gibt Musikunterricht in Guyaquil, Ecuador
Es gab eine Menge Herausforderungen
Sind dir in Ecuador bestimmte Herausforderungen begegnet, die du in dieser Form während deines Studiums oder deiner Arbeit noch nie erlebt hast?
Ja, es gab eine ganze Menge Herausforderungen, angefangen bei der Sprache. Ich habe natürlich vorher etwas Spanisch gelernt, aber als ich ankam, wurde klar: Hier spricht man nicht das Castellano aus der Sprachschule. Alles ist sehr schnell, verwaschen und voll von Slangwörtern. Es braucht eine Zeit, um sich dort einzuhören und dann auch noch in dieser Sprache zu unterrichten. Wenn man mit den Musikern ohne Grenzen reist, kommt man zudem in eine Gastfamilie, die eine vollkommen andere Lebensrealität darstellt. Es gibt eigene Gewohnheiten und einen völlig anderen sozialen Kontext.
Nach seiner ehrenamtlichen Arbeit in Ecuador ist Tobias Drewelius nach Karlsruhe zurückgekehrt. Dort leitet er nun das KIT-Sinfonieorchester. Wie er die Arbeit mit den Musikern wahrnimmt, erklärt er hier:
Wie gehst du vor, wenn du eine neue Partitur vorgelegt bekommst? Was sind deine ersten Schritte?
In der Regel lese ich erst, dann versuche ich das Ganze am Klavier darzustellen. Dabei versuche ich auf eigene musikalische Ideen zu kommen. Dann erforsche ich den Hintergrund der Partitur, um einen tieferen Einblick in die Geschichte des Werkes zu bekommen. Dann geht es an die körperliche Arbeit, das geht bei mir leider nicht intuitiv. Ich muss überlegen: Was wäre eine geeignete Bewegung beim Dirigieren, die die Musiker auch verstehen.
© Jakob Roth
Tobias Drewelius leitet eine Probe des KIT-Sinfonieorchesters in der Mensa am Adenauerring
Mal angenommen, du hättest 60 Minuten Zeit für eine Unterrichtsstunde oder ein Treffen mit einem Dirigenten deiner Wahl. Wen würdest du wählen?
Wenn ich mir zum aktuellen Zeitpunkt eine Stunde Unterricht aussuchen dürfte, wäre das wahrscheinlich mit dem von mir sehr geschätzten Paavo Järvi. Denn seine Art, Körperlichkeit, Freiheit und Freude beim Dirigieren finde ich wahnsinnig faszinierend. Das, was er an musikalischen Ergebnissen erzielt, ist einfach umwerfend.
Weitere Informationen zum KIT-Sinfonieorchester gibt es hier: www.sinfonieorchester.kit.edu/index.php